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Generation Angst - Eine kritische Betrachtung der These von Jonathan Haidt
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Generation Angst - Eine kritische Betrachtung der These von Jonathan Haidt

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Ein Essay

In der aktuellen Debatte um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sorgt das Buch "The Anxious Generation" des US-amerikanischen Psychologen Jonathan Haidt für Aufsehen. Haidt vertritt darin die These, dass soziale Medien massgeblich für einen massiven Anstieg psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen verantwortlich seien. Diese Darstellung wird jedoch von Forschenden der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als zu einseitig kritisiert.

Professor Markus Appel, Dr. Silvana Weber und Dr. Fabian Hutmacher vom Lehrstuhl für Kommunikationspsychologie und Neue Medien haben ein Thesenpapier verfasst, um eine differenziertere und wissenschaftlich fundierte Diskussion anzuregen. Sie begrüssen zwar die öffentliche Debatte über die Auswirkungen sozialer Medien, sehen in Haidts Standpunkt jedoch eher eine Vernebelung der tatsächlichen Sachlage.

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In ihrem Thesenpapier führen die Würzburger Forschenden fünf zentrale Punkte an:

1. Die von Haidt beschriebene drastische Verschlechterung der psychischen Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen ist primär ein US-spezifisches Phänomen. In Deutschland beispielsweise sind Suizide bei jungen Menschen seit den 1980er Jahren deutlich zurückgegangen.

2. Digitale Medien werden als Sündenbock missbraucht. Die psychische Gesundheit junger Menschen wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, darunter die COVID-19-Pandemie, die wirtschaftliche Lage, der Klimawandel und politische Polarisierung. In den USA spielen zudem ein ineffektives Gesundheitssystem und die Opioid-Krise eine bedeutende Rolle.

3. Haidts wissenschaftliche Begründung wird als mangelhaft kritisiert. Er präsentiere eine selektive Auswahl empirischer Befunde, die seine These stützen, während er den gesamten wissenschaftlichen Sachstand nicht ausgewogen darstelle. Tatsächlich zeigen quantitative Forschungszusammenfassungen, dass die Zusammenhänge zwischen Social-Media-Nutzung und Wohlbefinden sehr gering sind.

4. Viele Jugendliche profitieren von sozialen Medien. Zahlreiche Studien belegen positive Effekte wie die Vertiefung sozialer Kontakte oder die Förderung kreativer Fähigkeiten. Gleichzeitig werden auch negative Aspekte wie Cybermobbing anerkannt.

5. Angst sei ein schlechter Ratgeber in der Medienerziehung. Statt radikaler Verbote oder Untätigkeit empfehlen die Forschenden, Kinder und Jugendliche aktiv und kompetent im Umgang mit Medien zu begleiten. Zudem sollten Technologiekonzerne weltweit in die Pflicht genommen werden, Inhalte sorgfältiger zu prüfen und potenziell schädliche Inhalte mit Warnhinweisen zu versehen.

Die Würzburger Wissenschaftler plädieren für einen differenzierten Blick auf die Thematik. Sie betonen, dass sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte sozialer Medien gut belegt sind und dass es einer ausgewogenen Betrachtung bedarf, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden.

Mit ihrem Thesenpapier und dem kürzlich veröffentlichten Lehrbuch zur Psychologie der Online- und Mobilkommunikation leisten die Forschenden einen wichtigen Beitrag zur sachlichen Diskussion über die Auswirkungen digitaler Medien auf die psychische Gesundheit junger Menschen. Sie mahnen zu einer differenzierten Sichtweise, die weder in Alarmismus verfällt noch die real existierenden Herausforderungen verharmlost.

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Quellen:

https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/generation-angst-thesenpapier/

„Digital ist besser?! Psychologie der Online- und Mobilkommunikation.“ Appel, M., Hutmacher, F., Mengelkamp, C., Stein, J.-P., & Weber, S. (Hrsg.).

Springer 2023, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66608-1

https://sarah.genner.cc/

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